Geburtsphasen: Der natürliche Geburtsverlauf | Eltern.de

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Welche Geburtsphasen gibt es und was erwartet dich dabei? Diese Fragen beantworten wir hier – mit einem Überblick über den Geburtsverlauf und Tipps für jede der einzelnen Phasen.

Eine vaginale Geburt ist – in den meisten Fällen – ein Prozess, der sich über viele Stunden hinzieht. Dabei durchläuft dein Körper verschiedene Phasen, die dich deinem Baby Stück für Stück näherbringen. Wir erklären dir, wie der Geburtsprozess im Regelfall aussieht und was in welcher Geburtsphase passiert.

1. Die Eröffnungsphase

Die Eröffnungsphase ist die erste und – in der Regel – längste Phase der Entbindung: Sie beschreibt den Zeitraum vom Einsetzen der Geburtswehen, dem Geburtsbeginn, bis zur vollständigen Eröffnung des Muttermundes. Die Eröffnungswehen kommen dabei in regelmäßigen, immer kürzer werdenden Abständen und steigern sich zunehmend in ihrer Intensität.

Unterschieden wird die Eröffnungsphase in zwei Unterphasen: die sogenannte Latenzphase (frühe Eröffnungsperiode) und die aktive, späte Eröffnungsphase. Die Latenzphase beschreibt den Zeitraum zwischen Geburtsbeginn und der Öffnung des Muttermundes auf etwa 4-6 Zentimeter. Damit dein Kind geboren werden kann, muss sich dein Muttermund aber vollständig – das heißt auf 10 cm – öffnen. Das passiert während der aktiven, späten Eröffnungsphase.

Lese-Tipps: Erfahre hier, an welchen Anzeichen für die Geburt du die Eröffnungsphase erkennen kannst und wie sich Geburtswehen von Senkwehen oder anderen Kontraktionen wie Vorwehen unterscheiden lassen.

Was passiert in der Eröffnungsphase?

Die Eröffnungswehen schieben dein Baby – mit Köpfchen oder Po voraus – nach unten gegen deinen inneren Muttermund, gleichzeitig verkürzt sich der Gebärmutterhals. Das Ziel: die Öffnung des Muttermundes, um so den Weg in den Geburtskanal freizumachen. Wenn du nicht bereits einen Blasensprung hattest, platzt während der Eröffnungsphase oft auch deine Fruchtblase. Sollte das nicht der Fall sein und die Geburt ins Stocken geraten, kann eine Blasensprengung (Amniotomie) infrage kommen: Dann öffnen Hebamme, Arzt oder Ärztin deine Fruchtblase manuell mit einem spitzen Instrument. Das kann den Geburtsverlauf in der Eröffnungsperiode beschleunigen und die Wehen verstärken. Lese-Tipp: Lies in unserem Artikel „Wehen fördern“ mehr zur Blasensprengung (Amniotomie).

Wie lange dauert die Eröffnungsphase?

Das lässt sich nicht pauschal sagen, da jede Entbindung individuell ist und unterschiedlich lange dauert. Die medizinischen Fachgesellschaften für Gynäkologie und Geburtshilfe beschreiben die Eröffnungsphase als „nicht notwendigerweise kontinuierliche, schwer messbare Zeitspanne“. Das bedeutet, es kann auch zu Unterbrechungen kommen und es ist nicht immer nachvollziehbar, wann genau die Eröffnungsphase begonnen hat. Es gibt zwar Durchschnittswerte, jedoch weichen die Angaben zum Teil stark voneinander ab. Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung dauert die Eröffnungsphase bei Erstgebärenden zwischen 8 und 14 Stunden und bei Mehrgebärenden etwa sechs Stunden.

Wie schmerzhaft sind die Geburtswehen in der Eröffnungsphase?

Auch das kann nicht allgemeingültig beantwortet werden, da jede Frau die Kontraktionen anders und unterschiedlich stark wahrnimmt. Viele Frauen empfinden die Eröffnungswehen zunächst als aushaltbar; zum Ende der Eröffnungsphase stellt sich dann bei vielen die erste Erschöpfung ein. Hier können die Wehenpausen bereits sehr kurz und die Wehenschmerzen sehr stark sein.

Tipps für die Eröffnungsphase

  • Finde eine für dich geeignete Geburtsposition
    Für die erste Phase der Geburt eignen sich aufrechte Geburtspositionen besonders gut: Die Schwerkraft unterstützt den Druck auf deinen Muttermund, was die Eröffnungsphase verkürzen kann. Außerdem empfinden viele gebärende Frauen den Wehenschmerz in aufrechten Gebärpositionen als weniger schlimm. Am wichtigsten ist es aber, dass du dich in der Position wohlfühlst – vertraue dabei auf deinen Instinkt oder bitte deine Hebamme, dir verschiedene Gebärhaltungen vorzuschlagen.
  • Bleib in Bewegung, solange es dir möglich ist
    Wechsledie Positionen, laufe ein wenig umher und lass dein Becken kreisen: Jede Bewegung weitet deinen Beckenausgang, was deinem Kind und dir die Entbindung erleichtert. Ein positiver Nebeneffekt: Bist du aktiv, verbessert sich die Sauerstoffversorgung deines Babys.
  • Sorge für Entspannung
    Um die Schmerzen der Wehen zu lindern, kannst du ein warmes Bad nehmen oder mit gezielten Atemübungen für Entspannung sorgen. Wenn du magst, kannst du dich auch massieren lassen – das kann ebenfalls die Schmerzen reduzieren. Manche Frauen finden zudem sanfte Yoga-Übungen, Aromatherapie oder Akupressur in dieser Phase hilfreich – hier gibt es aber keinen wissenschaftlichen Konsens über die schmerzlindernde Wirkung. Erlaubt ist, was dir jetzt guttut!
  • Lass dir etwas gegen die Schmerzen geben – wenn du es möchtest
    Wenn der Wehenschmerz zu stark wird, kannst du selbstverständlich jederzeit nach einer Regionalanästhesie wie der PDA oder anderen schmerzlindernden Mitteln fragen.

Lese-Tipp: Erfahre hier, welche Geburtspositionen in welcher Geburtsphase am sinnvollsten ist!

2. Austrittsphase (Austreibungsphase)

Sobald dein Muttermund vollständig geöffnet ist, beginnt der zweite Abschnitt des Geburtsprozesses: die Austrittsphase, früher auch als Austreibungsphase oder Austreibungsperiode bezeichnet. Sie umfasst den Zeitraum bis zur vollständigen Geburt – dem Austritt des Kindes – und kann ebenfalls mehrere Stunden in Anspruch nehmen. Die Wehen sind nun sehr kräftig und spätestens jetzt platzt in der Regel die Fruchtblase. Es ist in seltenen Fällen aber auch möglich, dass sie bis zum Ende der Geburt intakt bleibt und du keinen Blasensprung hast.

So wie die Eröffnungsphase wird auch die Austrittsphase genauer unterschieden: Es gibt die latente, frühe Austrittsphase (Übergangsphase) ohne Presswehen und die aktive, späte Austrittsphase mit Presswehen. Häufig wird die Übergangsphase fälschlicherweise als zweite, eigenständige Phase der Geburt bezeichnet, die den Übergang zwischen Eröffnungs- und Austrittsphase markiert. Laut offizieller Definition gibt es aber nur drei Geburtsphasen: Eröffnungs-, Austritts- und Nachgeburtsphase.

Was passiert in der Austrittsphase?

Ist der Muttermund offen und der Gebärmutterhals verstrichen, schieben die Wehen der frühen Austrittsphase dein Baby aus der Gebärmutter durch den Geburtskanal. Dabei dreht es sich in die richtige, passende Position und rutscht langsam in deinen Beckeneingang. Dieses Tiefertreten – wie es in der Fachsprache heißt – kann sich für dich mühsam anfühlen, denn es ist eine sehr passive Phase. In der Übergangsphase hast du nämlich noch keine Presswehen. Die setzen erst in der aktiven, späten Austrittsphase ein – und du wirst ziemlich sicher merken, wenn es so weit ist. Denn sobald das Kind auf dem Beckenboden der Mutter aufliegt und Köpfchen oder Po sichtbar werden, empfinden die meisten Frauen durch den Druck auf den Enddarm einen reflexartigen Drang zum Mitpressen und Mitschieben. Daher wird dieser letzte Abschnitt auch Pressphase genannt.

Jetzt ist es bald geschafft: Der erste Teil (meistens der Kopf) deines Babys steht kurz vor dem Austritt ­aus dem Beckenausgang – das nennt sich „Durchschneiden“. Um Geburtsverletzungen vorzubeugen, wird dein Dammbereich jetzt von der Hebamme mit warmen Kompressen oder durch Gegendruck geschützt. Manchmal wird auch ein Dammschnitt nötig, um dem Köpfchen mehr Platz zu machen – das kommt heute aber nur noch selten vor. Sind Kopf oder Po geboren, erfolgt die zweite Körperhälfte in der Regel schnell und unkompliziert mit der nächsten Wehe. Und dann bekommst du dein Baby umgehend auf die nackte Brust gelegt – wow, was für ein wunderbarer Moment!

Lese-Tipp: Lies hier mehr zum Thema Dammschnitt.

Wie lange dauert die Austrittsphase?

Auch hier gilt wieder: Eine pauschale Antwort zur Dauer der Austrittsphase gibt es nicht. Bei Frauen, die bereits vaginal geboren haben, geht es in der Regel schneller – aber auch hier bestätigen Ausnahmen die Regel. An folgenden Werten kannst du dich orientieren: Die frühe Austrittsphase dauert bei Erstgebärenden durchschnittlich 2 bis 3 Stunden, bei Mehrgebärenden 30 Minuten bis 1 Stunde. Die Pressphase umfasst sowohl für Erstgebärende als auch Mehrgebärende in der Regel nur 20 bis 40 Minuten – da geht es dann ziemlich schnell.

Wie schmerzhaft ist die Austreibungsphase?

In der Übergangsphase kann es dir so vorkommen, als ginge es nicht voran. Das liegt daran, dass die Wehen für einen kürzeren Zeitraum schwächer werden können. Die Natur verschafft dir und deinem Baby dann eine kleine Verschnaufpause. Es kann aber auch sein, dass du die Übergangsphase als schwierigste Phase empfindest, weil es länger dauert, bis sich dein Baby richtig ins Becken eingestellt hat und die Wehen besonders kräftig ausfallen. In der späten Austreibungsphase verspürst du höchstwahrscheinlich einen starken Pressdrang, um dein Kind auf die Welt zu schieben. Das kann befreiend sein, weil du jetzt wieder aktiv mitwirken kannst und es jetzt wirklich nicht mehr lange dauert.

Wenn Kopf oder Po des Babys geboren werden, empfinden viele Frauen das als schmerzhaftesten Moment der Geburt – denn Beckenboden, Vagina und Dammgewebe sind jetzt auf das Maximum gedehnt, was zu einem brennenden Schmerz führen kann. Daher wird dieser Moment der Pressphase auch als Ring of Fire oder Feuerring bezeichnet. So oder so ist es aber auch hier wieder sehr individuell, wie du die Schmerzen während der Austreibungsphase empfindest.

Tipps für die Austreibungsphase

  • Lieber nicht auf dem Rücken liegen
    Auch in der Austreibungsphase solltest du eine Geburtsposition wählen, die sich für dich gut anfühlt und Positionswechsel ausprobieren. Wenn du kannst, vermeide dabei die Rückenlage – das kann sich positiv auf den Geburtsverlauf auswirken.
  • Frage nach einem Pudendusblock
    Wenn du es bisher ohne PDA geschafft hast, aber in der Pressphase der Geburt nicht mehr kannst, kannst du einen Pudendusblock erhalten: Dabei wird der Nervus Pudendus – ein Nerv, der durch deinen Beckenboden verläuft – mit einem lokalen Betäubungsmittel blockiert. Wie genau das funktioniert, erfährst du in unserem Artikel zum Pudendusblock.
  • Lass dich von deinem eigenen Pressdrang leiten
    Es gibt keinen Beleg dafür, dass angeleitetes Pressen zu einem besseren Geburtsverlauf führt. Du kannst selbst entscheiden, wann, auf welche Art und wie lange du pressen und schieben möchtest – vertraue dabei auf deinen Körper. Wenn du aber das Gefühl hast, du brauchst Führung und Anleitung, kannst du natürlich jederzeit die Hebamme um Hilfe bitten. Sie kann dir Strategien zur Geburtsunterstützung anbieten.

3. Nachgeburtsphase

Dein Baby ist da – du bist überglücklich und hast es geschafft! Aber die Geburt ist noch nicht ganz vorbei, denn jetzt kommt noch die Nachgeburtsphase. Die Plazenta mitsamt Nabelschnurrest und die Reste der Fruchtblase müssen auch noch geboren werden. Das passiert in diesem letzten Abschnitt der Geburt, nachdem du dein Neugeborenes schon auf der Welt willkommen geheißen hast. Die Wehen sind dabei mild bis stark und in den meisten Fällen kommt die Nachgeburt schnell und ohne Komplikationen ans Tageslicht.

Was passiert in der Nachgeburtsphase?

Sobald dein Baby geboren ist, zieht sich deine Gebärmutter durch die Nachgeburtswehen kräftig zusammen und der Mutterkuchen löst sich von deiner Gebärmutterwand ab. Kurze Zeit später wird die Nachgeburt durch die Wehen herausgedrückt. Die Hebamme wird die Nachgeburt nun auf Vollständigkeit untersuchen: Ist die Plazenta mitsamt Nabelschnurrest komplett, sind die Eihäute da? Denn sollten Reste des Mutterkuchens in deiner Gebärmutter verbleiben, kann das zu Infektionen führen. Ist alles okay, ist die Geburt nun offiziell vorbei. In der Nachgeburtsperiode wird dein Baby außerdem abgenabelt: Das heißt, die Nabelschnur wird durchtrennt.

Wie lange dauert die Nachgeburtsphase?

Manchmal kommt die Nachgeburt sehr schnell und bereits nach wenigen Minuten mit einer einzigen Wehe, es kann aber auch ein wenig länger dauern. Sollte sich die Plazenta nach 30 bis 60 Minuten nicht gelöst haben, werden Hebamme, Arzt oder Ärztin ein wenig nachhelfen. Denn liegt eine Störung der Plazentalösung vor, kann es in der Nachgeburtsperiode zu stärkeren Blutungen kommen. Im äußersten Fall ist hier ein kleiner operativer Eingriff nötig.

Wie schmerzhaft ist die Nachgeburtsphase?

Verglichen mit den beiden ersten Geburtsphasen wird dir diese letzte Etappe keine großen Probleme bereiten. Die Nachgeburt ist deutlich kleiner als das Kind und flutscht ohne Schmerzen heraus ­– sofern sich die Plazenta gut löst. Die Wehen können natürlich auch hier wieder individuell unterschiedlich stark wahrgenommen werden. Zudem hast du in der Regel schon dein Baby auf der Brust und dein Körper schüttet jede Menge Oxytocin aus – dich überrollt gerade eine hormonelle Glückswelle. Übrigens: Auch nach der Geburt wirst du noch Wehen haben. Die Nachwehen sorgen dafür, dass deine Gebärmutter wieder kleiner wird und sich die Wunde an der Gebärmutterwand, an der die Plazenta haftete, schließt. Lies hier alles zum Thema Nachwehen.

Tipps für die Nachgeburtsphase

  • Kuschelt Haut an Haut
    Wenn nichts dagegenspricht, lege dein Baby direkt nach der Geburt nackt auf deine Brust oder deinen Bauch. Der direkte Hautkontakt erhöht deine Oxytocin-Ausschüttung, was die Nachgeburtsperiode verkürzen und zu einem geringeren Blutverlust führen kann. Außerdem: es erhöht die Stilldauer und Stillrate.
  • Nehmt euch Zeit für das erste Bonding
    Die ersten Minuten direkt nach der Geburt sollten – wenn möglich – weitestgehend ungestört dir, deinem Baby und deiner Geburtsbegleitung gehören. Denn dieses Zeitfenster wird auch als „sensible Phase“ bezeichnet und hat Auswirkungen auf das generelle Bonding zwischen Eltern und Kind und eine erfolgreiche Stillbeziehung.
  • Lass dich vom Breast Crawl überraschen
    Kaum zu glauben: Dein kleines, hilfloses Baby kann selbstständig oder mit ein wenig Unterstützung an deine Brustwarze robben, wenn du ihm die Gelegenheit dazu lässt.

Im Idealfall dauert der ungestörte Haut-zu-Haut-Kontakt zwischen euch so lange, bis dein Baby zum ersten Mal an deinen Brustwarzen saugt. Damit regt es übrigens auch noch die Nachgeburtswehen an und fördert das Zusammenziehen deiner Gebärmutter.

Quellen:

  • Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Fachgesellschaften e.V. (AWMF): S3-Leitlinie Die vaginale Geburt am Termin, zuletzt aufgerufen am 09.06.2023.
  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Die Geburtsphasen, zuletzt aufgerufen am 09.06.2023.
  • Berufsverband der Frauenärzte: Geburtsphasen, zuletzt aufgerufen am 09.06.2023.
  • Stiefel, Andrea et al. (Hrsg.): Hebammenkunde: Lehrbuch für Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Beruf, 5. Auflage, Hippokrates

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